Wenn es um Tunnelbau geht, macht Prof. Fritz Gr¨¹bl so schnell keiner etwas vor. "Schon als Jugendlicher haben mich Baustellen mit ihren gro?en Maschinen und Vortrieben fasziniert", sagt die 65-j?hrige Tiefbau-Koryph?e. Wir nehmen den Einstieg des geb¨¹rtigen M¨¹nchners in den Ruhestand zum Anlass, mit ihm auf seine sch?nsten Erlebnisse im Tunnelbau und an der Hochschule zur¨¹ckzublicken.

Michaela Leipersberger-Linder: Die Faszination f¨¹r den Tunnelbau hat bei Ihnen sehr fr¨¹h eingesetzt, Ihr Vater war auch in diesem Bereich t?tig. Wie der Vater so der Sohn?

Fritz Gr¨¹bl: Ganz so einfach war es nicht. Mein Vater war im U-Bahn-Referat der Stadt M¨¹nchen als Streckenbauleiter t?tig und hat mich schon als Jugendlicher auf gro?e Baustellen mitgenommen, die mich mit ihren vielen gro?en Ger?ten, den Vortrieben und dem ganzen Drumherum sehr fasziniert haben. W?hrend meines Bauingenierwesen-Studiums bin ich mehr oder weniger durch Zufall als Werkstudent zum Tunnelbau gekommen.


Sie blicken auf eine lange Erfahrung im Tunnelbau zur¨¹ck. Welche technischen Entwicklungen sind Ihnen besonders im Ged?chtnis geblieben?

Das war vor allem die Entwicklung bei den Tunnelvortriebsmaschinen. Meine erste Baustelle war schon ein Maschinenvortrieb. Aber da war alles noch ganz einfach, kein Computer in der Maschine, alles mit Handsteuerung. Heutzutage sind die Maschinen weitgehend automatisiert, die Steuerst?nde sehen eher aus wie ein Flugzeugcockpit.


Seit 1989 sind Sie gesch?ftsf¨¹hrender Gesellschafter bei der PSP Tunnelling Engineers GmbH, seit dem Sommersemester 2001 Professor f¨¹r Tunnelbau und Ingenieurgeologie an der Hochschule f¨¹r Technik Stuttgart. Wissen Sie, wie sich Langeweile anf¨¹hlt?

Ob im Studium, beim Arbeiten auf den Baustellen, im B¨¹ro oder an der Hochschule: Langeweile kenne ich tats?chlich nicht.


Wie haben Sie dieses Arbeitspensum, f¨¹r das Sie sich zum Teil freiwillig entschieden haben, wie beispielsweise f¨¹r Ihre Professur, ¨¹ber die Jahre hinweg geschafft?

Ich habe es mal mehr, mal weniger gut hinbekommen. Wahrscheinlich ist es aber schon so, dass die Familie insgesamt ein bisschen zu kurz gekommen ist.


Warum haben Sie sich f¨¹r eine Professur an der Hochschule beworben?

Mein Vorg?nger, Herr Professor Baudendistel, hat mich direkt angesprochen und gefragt, ob ich sein Nachfolger werden m?chte. Ich habe zu Bedenken gegeben, dass ich nicht promoviert bin und in M¨¹nchen wohne, aber er hat nur geantwortet: Das macht nichts. Und da auch meine damaligen zwei B¨¹ropartner damit einverstanden waren, habe ich mich f¨¹r die Professur beworben und es - und das sage ich ganz offen - nie bereut. Die Vermittlung von Wissen liegt mir bis heute sehr am Herzen.


Sie waren in vielen L?ndern und St?dten f¨¹r Tunnelbau-Projekte unterwegs. Wie haben diese vielf?ltigen Erfahrungen Ihre berufliche Laufbahn und Ihre pers?nliche Entwicklung beeinflusst?

Mein erster Chef hat mich gleich, nachdem ich im B¨¹ro angefangen habe, f¨¹r ein halbes Jahr nach Syrien geschickt ¨C erst zur Unterst¨¹tzung der Bauleitung, sp?ter habe ich dort die Bauleitung ¨¹bernommen. Ich hatte vorher noch nie im Ausland gearbeitet. Syrien war ein sehr milit?risch gepr?gtes Land, sehr restriktiv. Nat¨¹rlich hatte ich Probleme, mich als junger Ingenieur durchzusetzen, vor allem in der Zeit als Bauleiter. Aber mit den vielen Auslandsaufenthalten, die dann folgten, habe ich gelernt, geduldiger zu sein und nicht gleich loszupoltern, sondern auf die anderen Kulturen, auf andere Einstellungen und Arbeitsweisen R¨¹cksicht zu nehmen. Diese Erfahrungen haben mich gelassener gemacht.


Sie sind also mit Ihren Aufgaben gewachsen?

Auf jeden Fall. Man lernt nie aus. Ich bin h?ufig als Tunnelbau-Sachverst?ndiger unterwegs und kann sagen: Jede Baustelle ist anders. Man wird immer wieder mit neuen Dingen konfrontiert, muss Entscheidungen ¨C hoffentlich richtige Entscheidungen ¨C treffen. Ich lerne auch heute noch jeden Tag dazu. Das ist auch mein Rat an die ±Ø²©ÓéÀÖ,±È²©ÓéÀÖÍøÖ·den: Lebenslanges Lernen ist sehr wichtig, anders geht es nicht.


Was waren f¨¹r Sie die beeindruckendsten Momente im Tunnelbau?  

Es ist immer wieder ein wirklich gro?es Ereignis, wenn eine Tunnelbohrmaschine am Ziel ankommt und durchschl?gt. Wenn die Maschine sich durch die Zielwand arbeitet und diese dann herunterf?llt, das ist ein tolles Gef¨¹hl. Und wenn man dann noch bei der Planung dabei war und der Tunnel auch noch gut aussieht, dann sind diese Momente umso sch?ner.


Sie bauen Tunnel aller Art, Eisenbahntunnel, Autobahntunnel ¡­?

Ja, alle Arten von Tunnel, auch solche, an die man nicht direkt denkt, wie zum Beispiel einen M¨¹nchner Abwasserkanal, der mehr als f¨¹nf Kilometer lang ist. Dieser ist begeh- und befahrbar, beispielsweise mit einem Schlauchboot. Oder denken Sie an Stromkabel- oder Fernw?rmetunnel. Die Arbeit im Tunnelbau ist recht vielf?ltig, auch wenn es nur ein kleiner Bereich des Bauingenieurwesen ist.


Gibt es einen Tunnel, an dem Sie beteiligt waren, durch den Sie mit dem Auto oder von mir aus auch mit dem Schlauchboot fahren und von dem Sie sagen ¡°Mei, der ist richtig sch?n geworden?¡±

Ja, wir haben den Farchanter Tunnel bei Garmisch geplant und die Bau¨¹berwachung am Tunnel Oberau gemacht. Diese beiden Autobahntunnel sind, so finde ich, sehr sch?n geworden.


Natur und Tunnelbau geh?ren eng zusammen. Erst k¨¹rzlich hat sich in Stuttgart ein Ungl¨¹ck ereignet. In einem Tunnel ist Hochwasser eingetreten, ein Ger¨¹st wurde weggerissen, ein Mensch kam dabei ums Leben. Gab es dramatische Momente auch w?hrend Ihrer Berufst?tigkeit?

Leider ja. Ich war vor gut 20 Jahren Tunnelbau-Sachverst?ndiger bei einem gro?en Autobahn-Tunnel-Projekt in Holland, dem Westerscheldetunnel. Gebohrt wurde mit einer gro?en Tunnelbohrmaschine mit 12 Metern Durchmesser, ganz modern, alles lief gut. Und dann wurde durch einen kleinen Fehler eine ?berschwemmung verursacht. In Sekundenschnelle schoss das Grundwasser mit f¨¹nf bar in den Tunnel. Wir sind patschnass geworden und flott Richtung Tunnelausgang gesprintet, weil der Wasserspiegel in der Maschine sehr schnell angestiegen ist. Das Problem hat sich dann zum Gl¨¹ck von alleine gel?st, aber wir waren sehr froh, dass wir zu dem Zeitpunkt den Tunnel bereits verlassen hatten.


Anfang Dezember wird der Barbaratag gefeiert. Die Heilige Barbara ist die Schutzpatronin der Bergleute und der Tunnelbauer. Zudem werden f¨¹r Tunnel- Bauprojekte immer Tunnelpatinnen gesucht, also Frauen, die w?hrend der Bauphase die Patenschaft f¨¹r das Projekt ¨¹bernehmen. Was meinen Sie, warum werden daf¨¹r ausschlie?lich Frauen ausgesucht, und wie sieht es denn mit den Frauen im Tunnelbau grunds?tzlich aus?

Die Heilige Barbara ist die Schutzpatronin der Bergleute, bei der Artillerie und im Tunnelbau. Warum muss es eine Frau sein? Weil die Vertreterin der Heiligen Barbara auf Erden weiblich sein sollte. Und zum zweiten Teil Ihrer Frage: Als ich im Tunnelbau angefangen habe, gab es in diesem Berufszweig keine Frauen. Als die erste Ingenieurin von der Deutschen Bahn einen Tunnel betrat, sind alle M?nner rausgelaufen. Man(n) sagt, die Heilige Barbara dulde keine Frau neben sich im Tunnel. Mittlerweile arbeiten immer mehr Frauen im Tunnelbau. Der Frauenanteil in unserem ±Ø²©ÓéÀÖ,±È²©ÓéÀÖÍøÖ·-Studiengang Geotechnik und Tunnelbau liegt manchmal bei ¨¹ber 30 Prozent.


Sie haben mit zwei Professorenkollegen im Sommersemester 2005 den ±Ø²©ÓéÀÖ,±È²©ÓéÀÖÍøÖ·-Studiengang Grundbau/Tunnelbau ins Leben gerufen, der heute Geotechnik/Tunnelbau hei?t. Was hat Sie bewogen, sich f¨¹r diesen ±Ø²©ÓéÀÖ,±È²©ÓéÀÖÍøÖ·-Studiengang einzusetzen?

2005 wurden die Diplom-Studieng?nge in das ±Ø²©ÓéÀÖ,±È²©ÓéÀÖÍøÖ·-±Ø²©ÓéÀÖ,±È²©ÓéÀÖÍøÖ·-System ¨¹berf¨¹hrt. Im Zuge dessen haben wir auch ?berlegungen angestellt, welche ±Ø²©ÓéÀÖ,±È²©ÓéÀÖÍøÖ·-Studieng?nge man im Bauingenieurwesen anbieten k?nnte. Gleichzeitig lief in dieser Zeit die Planfeststellung f¨¹r Stuttgart 21, mit einer Planung von Tunneln von mehr als 100 Kilometern L?nge. Wir waren uns sicher, dass man k¨¹nftig f¨¹r solche Projekte gut ausgebildete, spezialisierte Tiefbauingenieur:innen ben?tigen wird und haben deshalb den ±Ø²©ÓéÀÖ,±È²©ÓéÀÖÍøÖ·-Studiengang ins Leben gerufen, kurze Zeit sp?ter auch den ±Ø²©ÓéÀÖ,±È²©ÓéÀÖÍøÖ· Konstruktiver Ingenieurbau.

 Was ist Ihre sch?nste Erinnerung an die Zeit an der Hochschule?

Mir hat es immer sehr gut gefallen, wenn ich bei den Vorlesungen das gro?e Interesse der ±Ø²©ÓéÀÖ,±È²©ÓéÀÖÍøÖ·den f¨¹r die Geologie und den Tunnelbau bemerkt habe, wenn Fragen kamen, wenn die ±Ø²©ÓéÀÖ,±È²©ÓéÀÖÍøÖ·den mitgemacht, sich eingebracht haben. Aber genauso sch?n war die Zusammenarbeit mit den Kolleg:innen. Es gibt an der Hochschule, zumindest bei den Bauingenieur:innen, kein Konkurrenzdenken. Jeder hilft jedem. Aber auch die gro?en Exkursionen waren immer Highlights. Neben den tollen Zielen fand man hier Zeit, intensiv und pers?nlicher mit den ±Ø²©ÓéÀÖ,±È²©ÓéÀÖÍøÖ·den zu reden, ¨¹ber private Dinge, ¨¹ber Lebensziele.


Ihre Hobbys sind Bergwandern, Skitouren und Segeln. Das hei?t, Sie nehmen es auch privat gerne mit den Elementen auf?

Ja. Ich habe lange Schwimmen als Leistungssport gemacht, daher die Liebe zur sportlichen Bet?tigung. Au?erdem wohne ich in M¨¹nchen, die Berge sind nah. Von hier aus ist man in einer Stunde bei den sch?nsten Bergen und kann Wanderungen oder auch Skitouren unternehmen. Die Liebe zum Segeln haben mir schon meine Eltern vermittelt. Und wenn man immer im Untergrund arbeitet und werkelt, dann will man auch mal an die frische Luft.


Sie sind seit 1982 mit Ihrer Frau verheiratet, die Franz?sin ist. Sie haben zwei T?chter, Zwillinge, geboren 1984. Wie haben Sie es geschafft, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen?

FG: Ich w¨¹rde behaupten, dass ich es einigerma?en gut hinbekommen habe. Wir haben ein sehr gutes Verh?ltnis zu unseren Kindern und Enkelkindern. Aber das ist ein heikles Thema. Wenn Sie da meine Frau fragen, f?llt die Antwort wahrscheinlich ein bisschen anders aus.

Ihre Liebe gilt, neben Ihrer Familie, S¨¹dfrankreich und einem gro?en Segelboot, das dort auf Sie wartet. Wie werden Sie Ihren Ruhestand verbringen?

Wir freuen uns auf unser Boot, mit dem wir auch mal gerne l?ngere T?rns machen m?chten. Aber auf mich warten noch andere Aufgaben: Meine Tochter V¨¦ronique und ihr Mann haben sich ein Reihenhaus in M¨¹nchen gekauft, da muss einiges renoviert werden.

Das muss aber nicht untertunnelt werden, oder?

(Lacht) Nein, nat¨¹rlich nicht. Aber ich bin handwerklich ganz geschickt, und es wartet dort eine Menge Arbeit auf mich. Vor allem aber freue ich mich auf mehr Spontanit?t unter der Woche, wenn beispielsweise eine Anfrage von Freunden kommt, ob ich nicht Lust habe, bei einer Ski- oder Wandertour mitzumachen. Aber ein bisschen arbeiten werde ich auch noch. Ich wurde als Tunnelbau-Sachverst?ndiger f¨¹r die zweite Stammstrecke in M¨¹nchen beauftragt, ein sehr gro?es Projekt, das auch noch eine Weile l?uft.


Ich habe geh?rt, die Hochschule braucht Sie auch noch ein bisschen? Halt, das war falsch formuliert: Die Hochschule braucht sie auf jeden Fall! Aber Sie sind bereit, etwas von Ihrer Zeit auch zuk¨¹nftig zur Verf¨¹gung zu stellen?

Ja, ich werde als Lehrbeauftragter der Hochschule erhalten bleiben.


Ihre beiden Enkelkinder ¨C Max, vier Jahre alt, und Louisa, sie ist drei ¨C sind Ihnen sehr wichtig. Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich mit den beiden in S¨¹dfrankreich am Strand. Die zwei haben eine riesige Sandburg gebaut, die sie untertunneln m?chten, doch das Geb?ude st¨¹rzt immer wieder ein. Die beiden sind den Tr?nen nahe. Was raten Sie ihnen?

Nicht aufgeben! Immer wieder neu probieren, irgendwann klappt das schon. Und wenn nicht, w¨¹rde ich selbst Hand anlegen. Wenn der Tunnel dann wieder einst¨¹rzt, w?re die Freude bei den beiden sicher riesengro?!

Ein Leben f¨¹r Tunnelbau

Prof. Fritz Gr¨¹bl

  • geboren 1956 in M¨¹nchen
  • dreij?hrige Laufbahn bei der Bundeswehr (Oberleutnant)
  • 1978-1983 Studium Bauingenieurwesen
    an der TU M¨¹nchen
  • seit 1989 gesch?ftsf¨¹hrender Gesellschafter
    bei PSP Tunnelling Engineers GmbH
  • Planung und Ausschreibung von Tunnelprojekten (U-Bahn M¨¹nchen, U-Bahn Linie U5 in Berlin, Stadtbahntunnel Karlsruhe, Alpvorlandtunnel bei Wendlingen, Albabstiegtunnel bei Ulm, Stadtbahntunnel Hallschlag-M¨¹nster und Fasanenhof in Stuttgart, U5 Europaviertel Frankfurt) sowie die Beratung von Auftraggebern und Auftragnehmern (u.a. Westerscheldetunnel, Wehrhahnlinie D¨¹sseldorf, Stadtbahn K?ln, Metro Moskau, Metro Kasan, Suezkanaltunnel, Metro Bangkok)
  • seit 2001 Professor f¨¹r Tunnelbau und Ingenieurgeologie an der HFT Stuttgart
  • 2005 - Gr¨¹ndungsmitglied des ±Ø²©ÓéÀÖ,±È²©ÓéÀÖÍøÖ·-Studiengangs Grundbau/Tunnelbau (heute Geotechnik/Tunnelbau)
Ver?ffentlichungsdatum: 23. Juni 2021
Von Michaela Leipersberger-Linder (michaela.leipersberger-linder@hft-stuttgart.de)