Unsere St?dte m¨¹ssen sich radikal wandeln, um auch in Zukunft lebenswert zu bleiben und auf Herausforderungen wie den Klimawandel reagieren zu k?nnen. Gefragt sind dabei vor allem die Ideen von jungen Stadtplanerinnen und -planern. Doch wie steht es eigentlich um ihre Ausbildung? Eine Nachfrage bei Christina Simon-Philipp, Professorin f¨¹r Stadtplanung und St?dtebau an der Hochschule f¨¹r Technik Stuttgart.

Frau Simon-Philipp, ist Stadtplanung ein Berufsfeld mit Zukunft?
Mit gro?er Zukunft sogar. Unsere St?dte stehen vor immensen Heraus?forderungen in Sachen Mobilit?t, Klimawandel oder bezahlbaren Wohnraum. Darauf Antworten zu finden und die Stadt neu zu denken, ist immens wichtig. Gleichzeitig braucht es eine breite Perspektive, um all diese Aspekte und Herausforderungen zu bedenken. Genau daf¨¹r bilden wir Stadtplanerinnen und ?planer aus. Mit Erfolg ¨¹brigens, unsere Absolventinnen und Absolventen sind auf dem Arbeitsmarkt sehr begehrt und ihre Kompetenzen in ganz unterschied?lichen Bereichen gefragt ¨C von freien Planungsb¨¹ros bis zu st?dtischen Verwaltungen.

Wie sieht die akademische Ausbildung von jungen Stadtplanerinnen und -planern aus?
Wir versuchen an der Hochschule f¨¹r Technik Stadtplanung sehr breit und praxisnah zu unterrichten. Unsere Schwerpunkte sind dabei Stadtent?wicklung, St?dtebau, Stadtgestaltung und ?erneuerung. In diesen Bereichen gibt es vielf?ltige Studienprojekte, in denen sehr unterschiedliche Perspektiven zusammenkommen. Neben der klassischen Stadtentwick?lung sind auch Fachleute aus der Soziologie, der Mobilit?tsforschung oder Landschaftsarchitektur mit dabei. So bekommen die ±Ø²©ÓéÀÖ,±È²©ÓéÀÖÍøÖ·den nicht nur theoretischen Input, sondern k?nnen sich auch konzeptionell bei der Entwicklung von eigenen Stadtplanungsprojekten ausprobie?ren. Durch diese enge Verkn¨¹pfung mit der Praxis erfahren sie aus erster Hand von den Herausforderungen, aber auch L?sungen, die durch den Klimawandel oder den Wunsch nach anderer Stadtmobilit?t entstehen.

Welche Eigenschaften sollten junge Menschen mitbringen, die Stadtplanerin oder -planer werden wollen?
Sie sollten kreative und kommunika?tive Menschen sein. Den Rest lernen sie an der Hochschule und nat¨¹rlich in der Berufspraxis. Mit Kreativit?t meine ich nicht nur die Gestaltung von beispielsweise Architektur, sondern eben auch das Finden von kreativen Prozessen und L?sungen, die alle wichtigen Akteure an der (Um?)Gestaltung der Stadt beteiligen. Auch Kommunikation ist immens wichtig, weil Stadtplanung immer ein Aushandlungsprozess von Interessen ist.

Ich stelle mir Stadtplanung auch manchmal frustrierend vor, gerade wenn man schnelle L?sungen sucht und braucht.
In der Stadtplanung werden selten gro?e L?sungen spontan und im stillen K?mmerlein entwickelt. Vielmehr ist die Gestaltung der Stadt ein sehr komplexer und manchmal z?her Prozess. Dementsprechend ist eine gewisse Frustrationstoleranz in diesem Beruf schon hilfreich. Auf der anderen Seite k?nnen unsere Absolventen extrem viel bewegen, dringliche Probleme kreativ l?sen und neue Modellprojekte f¨¹r andere St?dte gestalten. Doch genau daf¨¹r sind eben Moderation und Aus?handlung von Interessen und das Aushalten von Konflikten essenziell.

Ein Thema mit Konfliktpotential ist die Mobilit?t. Einerseits leiden die St?dte unter den vielen Fahrzeugen, anderseits ist Mobilit?t ein Grundbed¨¹rfnis und wichtig f¨¹r die Gesellschaft und Wirtschaft. Wie wird dieses Spannungsfeld an der Hochschule diskutiert?
Mobilit?t ist sicher eins der gro?en Themen in der Stadtplanung. Sie ist ein Grundbed¨¹rfnis von uns Menschen und sichert die Teilhabe. Das Problem entsteht aber durch den falschen Schwerpunkt auf Individualverkehr. Es ist nicht zielf¨¹hrend, wenn jeder sein eigenes Auto f¨¹r die Mobilit?t nutzt. Wir brauchen attraktive Alternativen, zum Beispiel durch einen verl?sslichen ?ffentlichen Nahverkehr, aber auch durch nahtlose Verkehrsketten, die erm?glichen, dass Pendler ihre Autos schon am Stadtrand abstellen und st?rker Bus, Bahnen oder Sharing?modelle nutzen. Genau dazu gibt es in vielen St?dten spannende Ideen und Projekte, die wir nat¨¹rlich auch in Forschung und Lehre aufgreifen und teils auch begleiten.

Spielt der Klimawandel auch in Ihrem Studiengang eine Rolle?
Absolut. Der Klimawandel und seine Auswirkungen sind eine ganz dringliche Herausforderung f¨¹r unsere St?dte und eng mit anderen Fragen wie Mobilit?t oder auch soziales Miteinander verkn¨¹pft. Deshalb spielt der Klimawandel eine zentrale Rolle in allen Studieng?ngen zur Stadtplanung. Wir m¨¹ssen St?dte wirklich neu denken und eigentlich komplett umbauen, dabei ist der ?ffentliche Raum besonders wichtig ¨C daf¨¹r braucht es eben neue und radikale Ideen von jungen Stadtplane?rinnen und -planern. Wir wollen zum Beispiel die Ballungsr?ume nicht weiter versiegeln, sondern mehr Gr¨¹nfl?chen und Freiraum schaffen. Das senkt die Temperaturen, ist gut f¨¹r das Klima und hilft, besser mit Extremwetterereignissen wie Starkregen umzugehen. Zum Gl¨¹ck erkennen immer mehr St?dte den Handlungsbedarf und suchen nach neuen Wegen.

Trotz steigender Mieten sind St?dte nach wie vor attraktive Wohnorte. Doch wie bleibt das Wohnen in St?dten bezahlbar, gerade f¨¹r junge Menschen, Familien oder Senioren?
Wir brauchen auch hier ein Umden?ken. Beim Wohnungsbau sollten soziale Fragen im Vordergrund stehen und nicht nur der wirtschaftliche Gewinn. Zum Beispiel sollten st?dtische Grundst¨¹cke nicht einfach an den H?chstbietenden verkauft werden. Stattdessen gilt es, sozial orientierte Bautr?ger oder genossen?schaftliche Wohnungsbauprojekte und Baugemeinschaften zu f?rdern. So entsteht auch mehr bezahlbarer Wohnraum. Zum Gl¨¹ck wird das in Gro?st?dten wie Hamburg oder Stuttgart inzwischen vermehrt umgesetzt. Nat¨¹rlich spielen auch die anderen Themen wie zum Beispiel Demographie eine gro?e Rolle. In vielen St?dten gibt es einen hohen Anteil von Einfamilienh?usern aus den 60er-? und 70er?-Jahren, in denen oft betagte Menschen allein leben. Hier stellt sich die durchaus heikle Frage, wie wir diesen Bestand neu und effektiver nutzen k?nnen. Das ist ¨¹brigens genauso eine Frage, f¨¹r die sich unsere ±Ø²©ÓéÀÖ,±È²©ÓéÀÖÍøÖ·den gemeinsam mit Fachleuten aus der Praxis und Forschung konzeptionelle L?sungen ¨¹berlegen.

Der Artikel ist am 23. September 2022 im S¨¹ddeutsche Zeitung Verlagsspezial unter ?Lernen: Schule, Hochschule & Weiterbildung? erschienen. Das Interview f¨¹hrte Birk Gr¨¹ling.

Mit herzlichem Dank an die S¨¹ddeutsche Zeitung f¨¹r die Nutzung des Interviews.

Portraitfoto: ? Achim Zweygarth

Interview zum Download

Ver?ffentlichungsdatum: 11. November 2022